Confused, incredible India und damit ist das meiste schon gesagt😂 Im Lonely planet lesen wir, dass auch erfahrene Traveller an ihre Grenzen kommen. Dies beruhigt uns sehr. Nachdem uns einige indienerfahrene Reisende abrieten mit dem Velo Indien zu bereisen, waren wir plötzlich unsicher, ob das Velo das richtige Fortbewegungsmittel für Indien ist. Letztendlich entschlossen wir uns die Räder sicher einmal mit nach Bangalore zu nehmen.
In Bangalore werden wir herzlichst von unseren Warmshower.org Lena und Nikhil aufgenommen. Lena ist Deutsche und lebt seit 5 Jahren in Indien und nun zusammen mit ihrem indischen Mann Nikhil. Sie ist eine ambitionierte Radfahrerin und nimmt erfolgreich bei den boomenden Radrennen in Südindien teil. Nikhil hat ein Radgeschäft. Sie ermutigen uns Indien mit dem Rad zu bereisen, denn die kleinen Strassen seien wirklich gut und meist sehr ruhig. Ihre Begeisterung packt uns und wir freuen uns wieder aufs Radeln. Zuerst aber demontieren wir unsere Lowrider, unsere schwerem Doppelständer und Nikhil hilft uns unsere hydraulischen Bremsen auf eine altbewährte mechanische Bremse zu wechseln. Unsere beiden Vordertaschen dürfen wir den beiden mit nach Deutschland geben, wo sie Weihnachten verbringen und von wo sie uns diese in die Schweiz senden. Nikhil und Lena führen uns ins feine indische Essen ein. Wir probieren die Dosas “Eine Art Reisomlette”, welche unterschiedlich gefüllt wird, Roti “Fladenbrot” mit den verschiedensten Masalas “gewürzte Gemüse oder Fleischgerichte”. Nach fast einer ganzen Woche in Bangalore machen wir uns auf den Weg nach Goa.
Wir schlängeln uns durch den chaotischen Verkehr der Stadt. Es wird gedrängelt, gehupt, überholt und plötzlich muss einer Kuh ausgewichen werden.
Lustig wird es als die Barriere beim Bahnübergang unten ist. Es wird aus der Spur ausgeschert und auf der ganzen breite der Strasse bis zur Barriere aufgeschlossen, für uns als etwas später dazukommende, sieht es wie eine Einbahnstrasse aus.
Erst als die Barriere wieder nach oben geht und der Gegenverkehr versucht auf seiner Spur durchzukommen, realisieren wir das Chaos.
Kaum sind wir ausserhalb der Stadt auf kleinen Strassen, sind wir fast alleine. Zu unserer grosser Überraschung versteht bereits im ersten Dorf niemand mehr Englisch, obwohl es die Amtssprache ist! “Country?” und “Selfie” sind meistens die einzigen Wörter, welche sie aber ausgezeichnet beherrschen. Erschwerend dazu kommt, dass sich die Sprache fast von Dorf zu Dorf wieder ändert. Einmal sprechen sie Hindi, dann Kannada und Telugu 😳 Wenn dann jemand Englisch spricht, ist es sehr schwierig für uns sie zu verstehen, da sie meist sehr schnell sprechen und es immer noch sehr indisch tönt. Auch die Aussprache und Betonung ist extrem wichtig. Das von uns geliebte Joghurt “curd” verstehen sie erst, wenn wir es aufschreiben. Und dies ist noch nicht alles! Zur weiteren Verwirrung und Erschwerung der Kommunikation kommt das Kopfwackeln😂
Halten wir in einem Dorf werden wir sogleich von einer riesen Menschentraube, meist Männer, umgeben. Fragen wir sie dann zum Beispiel wo wir Bananen kaufen können, dann weiss niemand etwas. Sie schauen sich gegenseitig an, beginnen miteinander zu diskutieren und wackeln mit dem Kopf. Eine Antwort bekommen wir selten und wir müssen selber weiter schauen. Wir und unsere Räder werden genaustens bestaunt. Dabei ist die Gangschaltung immer ein Thema sowie unsere Benzinflaschen. Wir werden oft nach dem Zylinder gefragt. Einige meinen, dass es dies für die Gangschaltung braucht.
Die Landschaft und die super einsamen und schönen Strässchen gefällt uns extrem! All die von uns gelesenen Berichte, dass Indien per Rad zu bereisen nicht optimal und zu gefährlich sei, können wir absolut nicht bestätigen! Wir müssen sagen, dass wir es im Gegenteil empfinden: Indien ist für uns betreffend Landschaft und einsamen und kleinen Strassen das beste Veloland bis jetzt!
In unserer ersten Mittagspause sind wir in einem kleinen Dorf. Da wir davon ausgingen, dass wir immer wieder Einkaufsmöglichkeiten finden werden, haben wir keine Vorräte gepackt. Nun stellt sich heraus, dass es in den kleinen Dörfer meist gar keine Shops gibt oder nur kioskartig. So fragen wir nach einem Kaffee, der für uns extra zubereitet wird. In der Mitte des Dorfes geniessen wir diesen. In Indien bekommt man sehr guten Kaffee, meist mit Milch in einem ganz kleinen Becher. Es kommen immer mehr Menschen vom Dorf uns zu bestaunen. Dann wird der Sohn des Lehrers gerufen, welcher uns zu sich nach Hause einlädt. Der Lehrer spricht zu unserer Freude etwas Englisch. Stolz zeigt er sein Badezimmer, in welchem es eine Art Badewanne mit kaltem Wasser hat und in einer Art Tonofen hat es warmes Wasser. Das Klo ist in einem separaten Gebäude und wird mit der Nachbarschaft geteilt. Alles ist aber sehr sauber. Nach der kleinen Erfrischung wird uns selbstgemachte Chapatis mit Reis, curd und Gemüse serviert. Es schmeckt sehr lecker, nur ist es etwas ungewöhnlich für uns das erste Mal mit den Händen zu essen und dazu noch die ganze Nachbarschaft als Zuschauer zu haben😂 Nach dem Essen wird für die Fotos sogar eine gute Nikkon Kamera geholt. Der Lehrer wundert sich, dass Judith keinen Schmuck trägt und zeigt stolz auf seine mit vielem Schmuck bestückte Frau. Zum Schluss wird Judith einen roten Punkt auf die Stirn gedrückt und die Wangen mit gelbem Pulver bestrichen. Dieses kleine Segensritual wird von drei Frauen wiederholt. Gestärkt und gerührt von dieser Herzlichkeit verabschieden wir uns und radeln zu dem uns empfohlenen Hindutempel.
Bereits als es eindunkelt, treffen wir in Madhugiri ein, wo wir eine gute, günstige Unterkunft “Lodge” finden. Ganz nach indischer Art starten wir den Tag mit einem Dosa und cyclen durch die schöne Landschaft. Am Mittag werden wir wiederum von einem Lehrer eingeladen. Dieser nimmt uns dann auch noch mit zur Schule. Es ist eine öffentliche Schule und eine Mädchenklasse mit 150 Schülerinnen empfängt uns kreischend, wir fühlen uns fast wie Popstars. Im Schulzimmer bittet der Assistent des Lehrers um Ruhe und die Mädchen setzen sich dicht an dicht auf den Fussboden. Als Judith erzählt, dass sie Lehrerin sei, wird sie gebeten mit den Mädchen zu singen. Auf dem Weiterweg stoppen wir bei einer Familie, welche mit der Erdnussernte beschäftigt ist. Sie freuen sich für unser Interesse und schenken uns Erdnüsse. Da sie uns nicht zu sehen können, wie umständlich wir diese öffnen, entschliessen sich zwei Frauen uns diese zu schälen und geschickt sind in kürzester Zeit die Erdnüsse geschält.
Als es dämmert, gibt es eine richtige Völkerwanderung von den Feldern in die Dörfer. Frauen, Männer, Kinder, Ziegen und Kühe gehen nach Hause. Auf den Feldern kehrt Ruhe ein. Dies sehen wir als perfekte Gelegenheit frei zu campieren, was laut den von uns gelesenen Berichte in Indien nicht möglich sei. Ohne dass uns jemand entdeckt hat, schaffen wir es unser Zelt aufzustellen. Sicherheitshalber hängen wir unseren Foodsack an einen Baum, um nächtliche Besucher vom Zelt fernzuhalten. Es soll Bären und Affen in dieser bergigen und felsigen Gegend haben. Am Morgen früh packen wir unsere Sachen, nachdem wir dann doch von einem Inder entdeckt wurden.
In Hampi angekommen, radeln wir durch die Tempelruinen und bewundern vor allem die wunderschöne felsige Landschaft mit den Bananenplantagen und Reisfeldern. Bevor wir mit einem Boot den Fluss überqueren, kauft Judith noch Bananen ein. Kaum hält sie diese in der Plastiktasche, wird sie von einem frechen Affen überrascht, welcher flink mit zwei Bananen davon huscht! 😳 Als Andi dann nochmals kauft, muss die Verkäuferin uns mit einem Stecken vor den Affen schützen, bis die Bananen in den Radtaschen in Sicherheit gebracht werden können. Auf der schönen Insel gibt es ein Hostel nach dem anderen. Nur noch hier in diesem Bereich dürfen die Touristen beherbergt werden. Wir finden ein schmuckes Plätzchen im “the Goan Garden”. Da lernen wir viele Backpackers kennen und viele Boulderer, welche nach Hampi zum bouldern kommen. Immer wieder wird uns und unserer Reise grosses Interesse geschenkt. Wir geniessen die frischen Shakes, das feine Essen und die romantischen Sonnenuntergänge auf den Felsen. Wir sind nicht die Einzigen, welche von den Felsen die schöne Aussicht auf die Reisfelder und Palmen geniessen.
Am nächsten Morgen erwarten wir gespannt die fünfköpfige, kanadische Familie. Das Treffen hat unser nächster Warmshower.org organisiert. Wow, die Familie ist seit vier Monaten unterwegs auf ihrer einjährigen Reise. Die drei Jungs (13, 15 und 16 Jahre alt) sind sehr selbstständig und pflichtbewusst. Obwohl sie von der Schule ein Jahr Pause bekommen hätten, folgen sie freiwillig einem online Schulkurs. Die beiden Eltern Rick und Tanya sind sehr reisefreudig und -erfahren. Als Familie ist es nun bereits die zweite längere Reise per Rad. Als die Jungs 4,6 und 7 Jahre alt waren, sind sie durch die USA gestrampelt. Wir kommen nicht aus dem Staunen heraus. Diese Begegnung mit dieser Familie ist so inspirierend für uns.
Obwohl Andi noch gerne in Hampi geblieben wäre, machen wir uns nach drei relaxten Tage auf den Weg weiter nach Hubballi zu unserem Warmshower Vivitt. Grosse Maisfelder, Sonnenblumenfelder, Chilli- und Baumwollplantagen prägen das Landschaftsbild durch welche wir radeln. Nach einem langen Radeltag finden wir, dann doch noch einen geeigneten Schlafplatz. Neben dem Goverment-Guesthouse dürfen wir nach langem hin und her zelten. Als wir bereits schlafen, kommt der Besitzer zurück und ruft bis wir dann beide wieder wach sind. Was er genau wollte, wissen wir bis jetzt nicht. Irgendwie war er aber enttäuscht, dass wir nicht mehr rauskamen. Am nächsten Tag ist es Judith nach dem Frühstück schlecht. Erst um Mittagszeit unter Palmen kann sie erbrechen und sie fühlt sich ein bisschen besser. Wir suchen eine nächste Unterkunft, denn Judith braucht dringend Erholung. In der Nacht bekommt sie Fieber und Durchfall. Trotz unserer Vorsicht muss sie etwas aufgelesen haben. Dass Judith nicht weiter radeln kann, wird schnell klar und so brechen wir erst am nächsten Tag auf.
Am Abend klopft es an der Tür. Der Guesthouse Besitzer erkundigt sich, ob wir auch etwas essen.
Andi bestellt Hähnchen mit Roti auf 20:00 Uhr, was der Besitzer mit einem Kopfschütteln bestätigt oder vielleicht fragt er sich nur, was wir Fremde normalerweise essen, denn um 20:30 Uhr wusste niemand etwas von dieser Bestellung!
Zum Glück geht es Judith wieder besser und zum Glück ist es nicht mehr weit nach Hubballi. In Hubballi entdecken wir einen Decathlon, bei welchem wir freudig ein paar Dinge kaufen. Herzlich werden wir von Vivitts Mutter und Grossmutter empfangen. Vivitt kommt erst nach 21:00 Uhr von der Arbeit nach Hause. Beim Abendessen bekommen wir das erste Mal klare Instruktion, wie mit den Fingern gegessen wird. Es gibt da ganz strikte Regeln und dies muss geübt sein! Der Reis wird im Teller zu einer kleinen Kugel geformt, auf drei Finger geladen und dann mit dem Daumen in den Mund geschoben. Kein Wunder war es für die Inder amüsierend uns beim Essen zu zuschauen, denn wir verloren teilweise den Reis oder Andi hielt den Kopf nach hinten und liess den Reis von oben in den Mund fallen😂 Schweren Herzens verabschieden wir uns bereits am nächsten Morgen von unseren neuen Freunden, da Weihnachten immer näher rückt und wir dann in Goa sein möchten. Es ist unglaublich wie schnell wir die Warmshower jeweils ins Herz schliessen.
Die nächsten drei Tage sind für Judith sehr streng. Sie ist immer noch geschwächt. Unsere Route führt uns durch den Dschungel und wir zelten auch das erste Mal dort. Den Tiger sehen wir zum Glück nur auf den Plakaten am Strassenrand. Dafür sehen wir eine handgrosse Spinne und Affen. Am zweiten Tag vernichten wir auf einer kurvenreichen, vielbefahrenen und steilen Strasse viele Höhenmeter runter auf Meereshöhe. Am Weihnachtstag fahren wir noch die letzten Kilometer nach Goa. Glücklich, aber sehr erschöpft, checken wir in ein Airbnb Hotel ein, in welchem wir gleich bis zum 1. Januar bleiben.
Wir und unsere Beine brauchen endlich eine Pause. Das Reisen in Indien ist extrem anstrengend! Wir mieten ein Scooter und erkunden so die verschiedenen Restaurants und Beaches. Leider ist die Silvesterparty im bekannten Hilltop mit den weltbesten Goa-DJs ausgebucht und die Abendkassentickets, welche je 75 Franken kosten, sind uns dann doch zu teuer. Besonders am Silvesterabend steigt des öfteren die Stromversorgung aus. Stromausfall gehört zum indischen Alltag mit dazu.
Am 2. Januar zieht es uns dann wieder aufs Velo und unter den Palmenplantagen entlang des Meeres zu fahren, macht extrem viel Spass. In Agonda machen wir nochmals einen Ruhetag. Erstaunlicherweise und zu unserer Enttäuschung sind auch hier ausserhalb der touristischen Orte die Infrastruktur und die Restaurants sehr schlecht. Der Verkehr und vor allem die Busse mit den ohrenbetäubenden Hupen machen uns fertig. Zum Glück finden wir kurz vor Gokarna einen sensationellen Zeltplatz gerade an der Beach. An Judiths Geburtstag radeln wir zum bekannten OM-Beach. Ein steiler Weg über einen Pass führt uns zu dieser Bucht, welche zum Schluss mit einer steilen und langen Treppe zugänglich ist. Da niemand auf unsere Räder aufpassen wollte, entschlossen wir uns diese touristischen Restaurants auszulassen und weiter zu fahren. Schade, dass wir so wenig Unterstützung erfahren haben. Der Tourismus kann vieles kaputt machen. Eine kleine Fähre bringt uns über einen Fluss zur Nirvana Beach. Dort werden wir von einem Koch bekocht. Wir peilen einen Zeltplatz an, jedoch verlangten diese so viel, wie noch nie zuvor. Müde fahren wir auf einer extrem befahrenen Strasse weiter und finden ein etwas überteuertes Hostel, jedoch schafft es Andi den Preis zu drücken. Solche Erlebnisse, um Preise zu kämpfen und zu merken, dass von Touristen so viel mehr Geld verlangt wird, ist ermüdend. Andis Bauch rumort zudem und wir müssen feststellen, dass diesmal Andi etwas aufgelesen hat. Wir diskutieren viel über die Weiterreise und Kiten in Sri Lanka ist dauernd ein Thema. Kurzentschlossen buchen wir am nächsten Morgen den Flug von Goa nach Colombo. So heisst es also wieder zurück zu fahren. Wir freuen uns auf den Rückweg, da wir für einmal genau im Voraus wissen, wo wir essen und übernachten werden. Die Abenteuerlust ist etwas abgeflacht. Ein Zeichen, dass wir reise- und Velomüde sind. Beim wunderschönen Zeltplatz bei Gokarna kuriert Andi seine Magendarmverstimmung aus. Und schon wieder geht Andis Expedmatte kaputt. Zum Glück hat er noch Garantie und Exped sendet ihm ohne zu zögern eine neue Matte nach Thailand, wo wir dann im Februar sein werden. Am Flughafen in Goa zeigen wir den Indern, wie wir unsere Räder verpacken können und sie so problemlos in das kleine Propeller Flugzeug passen. Mitten in der Nacht kommen wir in Sri Lanka an.
Fazit:
Indien ist ein sehr spannendes Land und der Teil, den wir gesehen haben, ist gut mit dem Rad zu bereisen. Die indische Küche schmeckt uns sehr, jedoch ist sie leider nicht in den kleinen Dörfern zu finden.
Es wird oft gesagt, dass man Indien entweder liebt oder hasst. Wir können beides nicht wirklich sagen. Wir wurden mit den Indern einfach nicht so warm. Wir hatten extrem schöne und herzliche Begegnungen, jedoch leider sehr selten. Es hat bestimmt auch mit unserer Verfassung zu tun, dass wir müde und beide je einmal krank waren. Von einigen Indern haben wir uns sehr geeckelt. Es wird gespuckt, wann es dem Mann gerade recht ist. Weiter hat uns die laute, ohrenbetäubende Hupe der LKWs und Busse extrem gestört und genervt.
Kerala muss sehr schön sein und wir wären dies noch gerne geradelt. Aber die Entscheidung nach Sri Lanka zu fliegen war für unser Gemüt die richtige Entscheidung😀